Wer ist die Stadt?
Am Freitag 24. und Samstag 25. April organisierte die Ständige Konferenz in den Räumen des Kunstvereins ihre zweite Tagung seit Bestehen der Organisation, in der sich Kulturschaffende und Kulturinteressierte aus Augsburg und der benachbarten Region zusammenschließen. Rund 40 Teilnehmer*innen fanden an diesen beiden sonnigen Tagen zu den drei Programmeinheiten in die Altstadt, um der Frage nachzugehen: Wie funktionieren bürgerliche Beteiligungsprozesse und was bringen sie unter besonderer Berücksichtigung der gegenwärtig in Augsburg laufenden Prozesse: Zukunftswerkstatt Gaswerk, Theatersanierung, Kulturentwicklungskonzept und Stadtentwicklungskonzept (STEK).
Tag 1: In den beiden parallel laufenden Kick-off-Workshops konnte die SK mit Stefan Schleifer (Kulturreferat) und Oliver Brunner (Theater Augsburg) die beiden Protagonisten von städtischer Seite zur Teilnahme gewinnen, die am dichtesten an den Prozessen für das Gaswerk und Theater dran sind. Dementsprechend nah und intensiv wurden die Themen diskutiert. Wichtig war dabei den Fokus wirklich auf den Prozess zu legen und nicht auf den Inhalt. Es sollte also nicht über Theaterneubau oder „wer zieht wann aufs Gaswerkgelände“gesprochen werden, sondern über die Erfahrungen, die die Teilnehmer mit den beiden Prozessen sammeln konnten. Das ist gelungen, mit einigen guten und spannenden Ergebnissen. Eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen Ergebnisse können wohl am besten Ute Legner und Michael Bernicker beisteuern, die die beiden Workshops für die SK moderierten.
Der Abend: Die anschließende Diskussion ging eigentlich nahtlos in das Abendprogramm mit Film (Franz Fischer überließ uns die Kopie von Anna Ditges „Wem gehört die Stadt?“ von 2014), Musik (Ivo Mannheim legte sehr charmant und entspannt im Foyer auf), leckerem Essen (Kulturküche) und Drinks (SK-Selbstbedienung) sowie langen Gesprächen, vor allem im Hof des Kunstvereins, über. Unser Angebot für Freunde und Nachbarn, sich in den Stunden zwischen 19 und 24 Uhr unkompliziert in die Tagung einzubringen, wurde gut angenommen und bereicherte die Veranstaltung ungemein. Hier auch nochmals ein herzliches Dankeschön an Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner, die beiden Künstler die noch bis zum 3. Mai im Kunstverein ihre wunderbare Ausstellung präsentierten und so freundliche und unkomplizierte Gastgeber waren. Dank gilt in diesem Zusammenhang natürlich auch den netten Mitarbeitern des Kunstvereins und seinem Geschäftsführer Christian Thöner, der als Mitglieder der SK alle Hebel in Bewegung setzte, um diesen sagenhaften Ort für die Tagung klar zu machen.
Tag 2: Mehr oder weniger gut erholt trafen wir uns Samstagmorgen zum Frühstück. Das geplante Interview mit Kathrin Paulischin, der Leiterin des Büros für Kulturentwicklung der Stadt Linz via Skype war ein voller Erfolg. Gute 30 Minuten durfte ich der ebenso sympathischen wie kompetenten Kollegin aus Österreich Fragen stellen, bevor unsere grenzüberschreitende Konferenz mit einer offenen Fragerunde endete. Von den 25 Jahren Erfahrungen zum Thema Bürgerbeteiligungsprozesse, die unsere Freunde an der Donau vorweisen können, sollten wir unbedingt lernen. Dazu zählt nicht zuletzt eine vorbildliche Haltung in Sachen Transparenz, Einbeziehung aller relevanten Gruppen sowie eine Prozessabwicklung ohne abstrus lange Pausen im Ablauf. Spannend ist auch zu erfahren, wie Linz den Schritt von der Industriestadt zur Kulturstadt gemeistert hat, nämlich mit einem klaren Ja zur Kultur von Seiten der Stadt und einer Profilbildung, die zwischen Salzburg und Wien gelegen, eher auf Modernes und Zeitgenössisches baut als auf Klassik und Geschichte. Auf dieser Basis ist Identifikationspotential erarbeitet worden und die Bürger wurden step by step miteinbezogen. 25 Jahre später gehört Linz im Bereich der mittelgroßen Städte zu den absoluten Kultur-Hotspots in Europa, macht mit spektakulären Kulturneubauten von sich reden und arbeitet mit einem Kulturetat, der zwischen 6 und 8 Prozent vom Gesamtetat der Stadt für Augsburg Vorbildcharakter hat. Die SK wird die Zusammenarbeit mit Linz vorantreiben. U.a. mit der Vernetzung zum „Cartel“, einer Linzer Institution vergleichbar mit der SK.
In diesem Zusammenhang noch ein dickes Lob an Susanne Thoma, die nicht nur an den Vorbereitungen zur Tagung beteiligt war, sondern auch die komplette Infrastruktur und Technik für diesen Programmpunkt vorbildlich stemmte.
Unser nächster Gast war wieder live vor Ort. Norbert Stamm arbeitet für die Stadt Augsburg an der Lokalen Agenda 21. Diese Arbeit stellte er bei der Tagung vor, insbesondere mit dem Fokus auf die neue, die 4. Dimension, nämlich die Kultur. Explizit sprach er eine Einladung an die SK aus, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, beispielsweise auch als Vertretung für die Kreativen im Nachhaltigkeitsbeirat.
Finale: Nachdem das Baureferat sichtlich Probleme hatte, den Terminkalender von Referent Gerd Merkle sinnvoll zu führen und er seine Mitwirkung an der Tagung daraufhin kurzfristig absagen musste, gewann die SK wertvolle Zeit für die finale Diskussion. Hier stand vor allem auch die Neubewertung unserer Forderungen vom Oktober 2013 auf der Agenda.
Hier die Ergebnisse:
- Beteiligungsprozesse: Hier befindet man sich auf einem guten Weg. Vor wenigen Jahren hätte man sich kaum vorstellen können, dass die Stadt eine Kultur zu entwickeln bereit ist, bei der Bürger (insbesondere in Kulturfragen) zu Beteiligungsprozessen geladen werden oder sich aus Eigeninitiative daran beteiligen können. Eine solche Aufbruchstimmung war jedoch auch schon zu Zeiten der Kulturhaupstadtbewerbung zu spüren. Für die nächsten Schritte müssen neue Standards in puncto Transparenz und zeitnaher Dokumentation gesetzt werden. Partizipation muss als Selbstverständlich wie auch als Chance für die Stadt gesehen und gelebt werden, da auch die Bürgerschaft qua ihrer Tätigkeiten und Berufe „Fachpublikum“ ist. (Zitat: Christian Z. Müller). Bernhard Klassen schlägt folgende Formulierungen vor:
a) Zeitnahe Veröffentlichung von Ergebnissen des jeweiligen Partizipationsprozesses
b) Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen, Zwischenergebnissen UND Ergebnissen für eine höchstmögliche Transparenz
c) Schematische Darstellung der Etappen des Partizipationsprozesses
Außerdem empfehlen sich für die Verantwortung der Durchführung der Prozesse nur wirklich neutrale Stellen. Agenturen müssen auch leben und sind auf Folgeaufträge angewiesen. Sie eignen sich kaum, um echt neutrale Ergebnisse zu liefern. - Neuer Kulturbeirat: SK hat Vertretungskompetenz und bemüht sich um einen der 10 Plätze.
- STEK: Erneute Einladung der SK an Gerd Merkle, um vom STEK-Prozess zu berichten. Zeitraum KW 24 oder 25 zwischen Mo und Mi abends, nachranging auch mit ThomasWeitzel, Frank Lattke soll erneut zur Moderation angefragt werden. Alternativ zu GerdMerkle könnten wir auch mit Norbert Diener, dem Leiter des Stadtplanungsamtes, sprechen.
Zur Beantwortung der Frage „Wer ist die Stadt?“: Christian Z. Müller merkte an, dass vor allem die Präsentationsfolien von Norbert Stamm bei diesem Punkt sehr dienlich sein könnten, da sie die Schritte vom hoheitlichen über den kundenorientierten bis hin zum partizipatorischen Modell der Beziehungen zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft sehr gut beschreiben. Sicher könnte die SK diese Folien nochmals anfordern und Interessierten zur Verfügung stellen.
Unsere überarbeiteten Forderungen (nun 20 statt wie bisher 14):
… DER KULTUR DEINE STIMME. Die Ständige Konferenz fordert:
1. Respekt gegenüber den verschiedenen kulturellen Szenen sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft
→ Verbesserungen sind in manchen Bereichen spürbar.
2. Transparente Vergabepraxis aller Mittel für Kulturprojekte und Kultureinrichtungen
→ Hier hat sich nicht viel geändert.
3. Planungssicherheit für Kulturprojekte und Kultureinrichtungen in allen Bereichen
→ Forderung bleibt im vollen Umfang bestehen.
4. Erhöhung des Kulturetats auf ein Niveau von vergleichbaren Städten in Süddeutschland
→ Hier sollte man sich ein Beispiel an Linz nehmen.
5. Stadtentwicklung als referatsübergreifende Aufgabe
→ Könnte sein, dass wir uns auf dem langen Weg dorthin befinden. Gerd Merkle sollte bald dazu befragt werden.
6. Entwicklung eines verbindlichen Leitbildes Kultur
→ Anfänge sind gemacht.
7. Vor Generalsanierung Diskussion über zukünftige Funktionen und Aufgaben des Stadttheaters
→ Mit dieser Forderung sind wir gescheitert.
8. Unterstützung bei der Nutzung und Zwischennutzung von Leerständen als Kreativräume
→ An dieser Forderung ist die Stadt bisher gescheitert.
9. Wertschätzung aller Sparten der Gegenwartskunst
→ Forderung bleibt im vollen Umfang bestehen.
10. Kommunales Gesamtkonzept kulturelle Bildung
11. Annehmen der Herausforderungen einer interkulturellen Stadt und Weiterentwicklung dieser Vielfalt im Rahmen kommunaler Politik
→ Hier tut sich etwas
12. Parallelstrukturen beim Stadtmarketing abbauen
13. Kulturrelevante Themen auf Augenhöhe mit Tourismus, Wirtschaft und Handel nach innen und nach außen kommunizieren
14. Unterstützung der Vernetzung Neue Stadtbücherei und Schulen
15. Echtes Kreativquartier beim Gaswerk
→ Dieser Punkt birgt heute mehr Fragezeichen.
16. Kulturbildungszentrum im Abraxas und dem zugesagten Neubau
17. Neues Stadtviertel auf dem Gelände der ehemaligen Reese-Kasernen mit kulturellem Zentrum in den drei Langhäusern des Kulturparks West
18. Vernetzung der neuen Stadtviertel Gaswerk, Reese-Gelände und Westpark über bürgerfreundliche, sichere und grüne Verkehrswege
19. Einrichtung eines „Plantreffs“ an einem zentralen Ort
20. Partizipierende Bürger dürfen nicht als vermeintliche Querulanten diskriminiert werden.
Bericht: Jürgen Kannler