Wahlprüfsteine 2014
Im Frühjahr 2014 wählten die Augsburger_innen den Oberbürgermeister und die Stadträt*innen neu. Im Vorfeld dieser Wahlen untersuchte a3kultur verschiedene Bereiche der kulturellen Stadtlandschaft auf Relevanz, Akzeptanz und Zukunftstauglichkeit. Dabei wurde sowohl der Istzustand als auch die Entwicklung der letzten Jahre dokumentiert und Prognosen erstellt. Anhand dieser Ergebnisse formulierte die Redaktion Wahlprüfsteine für Wähler*innen und Politiker*innen zu 17 Themenfeldern:
1. Kultur- und Kreativwirtschaft
Sie gehört nicht nur in Deutschland längst zu den stabilsten und umsatzstärksten Branchen. Schade nur, dass kaum jemand davon Notiz nimmt. Die ungenügende oder falsche Wahrnehmung des Themas kommt uns alle nicht nur volkswirtschaftlich teuer zu stehen. Diese Ignoranz geht auch auf Kosten der Lebensqualität. Denn in Regionen, in denen die Kultur- und Kreativwirtschaft gut gedeiht, fühlen sich auch die Menschen wohl.
Prüfsteine
a) Begegnet Ihr Kandidat den verschiedenen Szenen der Kultur und Kreativwirtschaft mit dem Interesse und Respekt, die für andere Branchen dieser Größenordnung längst üblich sind?
b) Setzt sich Ihr Kandidat für eine kommunale Anlaufstelle ein, die personell und mit Projektmitteln genügend ausgestattet ist, um ihren Aufgaben gerecht zu werden?
c) Unterstützt Ihr Kandidat die Vernetzung der verschiedenen Szenen der Kultur und Kreativwirtschaft?
d) Engagiert sich Ihr Kandidat für eine vitale, bunte und selbstbestimmte Kulturlandschaft, die der Nährboden für eine funktionierende Kultur und Kreativwirt schaft ist?
2. L.O.F.T.s (Locations Occupied For Time)
Seit den 80er-Jahren nutzen Augsburger Kreative verwaiste Industrieanlagen und leer stehende Geschäftsräume für ihre Projekte. Diese L.O.F.T.s sind Kreativräume auf Zeit, in denen Experimente und Kunstformen ein Forum finden, die unsere kulturelle Landschaft mit wichtigen Impulsen versorgen. L.O.F.T.s ziehen oft an nur wenigen Tagen Tausende Besucher in ihren Bann und leisten wertvolle Dienste für den Kultur- und Wirtschaftsstandort. Sie liefern neue Blicke auf die Stadt, transportieren spannende Ideen und sind entscheidende Helfer bei der Wiedererschließung von brachen Immobilien. Trotz dieser positiven Bilanz bedeutet ein Projekt für L.O.F.T.-Macher nicht selten volles finanzielles Risiko und immer einen harten Job. Oft steht vor der Eröffnung eines neuen Kreativraums auf Zeit die wochenlange Instandset-zung der Location. Zu kostspieligen Genehmigungsauflagen addieren sich häufig überzogene Mieten und weitere Kosten. Eine echte Unterstützung für L.O.F.T.-Projekte durch die Stadt ist bisher nicht in Sicht.
Prüfsteine
a) Kennt Ihr Kandidat die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung von L.O.F.T.s?
b) Unterstützt Ihr Kandidat die Zwischennutzung von Leerständen als Kreativräume auf Zeit?
c) Engagiert sich Ihr Kandidat für eine aktive Unterstützung dieser Initiativen durch die Stadt in Form von praktischer Hilfe beim Weg durch den Bürokratendschungel, bei der Meldung von geeigneten Leerständen und bei der Erteilung von Zuschüssen?
3. Zukunft der Industriekultur
Allein die über zwanzig großen Textilfabriken gaben nicht nur Abertausenden von Menschen Lohn und Brot, sondern prägten mit ihrer eindrucksvollen Architektur auch das Bild der Stadt nachhaltig. Zögerliche Versuche, die Industriekultur in das hiesige Stadtmarketing aufzunehmen, zeugen jedoch nicht gerade von einem selbstbewussten Umgang mit der eigenen Industriegeschichte
Prüfsteine
a) Begreift Ihr Kandidat das industriekulturelle Erbe von Augsburg als lebenswerte Chance für die Zukunft der Stadt?
b) Engagiert sich Ihr Kandidat dafür, das Thema Industriekultur mutig in das hiesige Stadtmarketing auf zunehmen?
c) Unterstützt Ihr Kandidat die Schaffung einer spartenübergreifenden Industriekultur, die alle relevanten Spielarten dieses Themas gleichermaßen umfasst?
4. Kulturetat
Welchen Wert besitzen in unserer Stadtgesellschaft der Erhalt, die Entwicklung und die Pflege von Kultur? Abseits aller Absichtserklärungen und Sonntagsreden liefert wohl vor allem ein Blick auf die Kulturetats demaskierende Antworten auf diese Frage.
Prüfsteine
a) Engagiert sich Ihr Kandidat für eine Erhöhung des Kulturetats auf ein Niveau von mindestens 125 € pro Kopf?
b) Setzt sich Ihr Kandidat für eine transpa rente Vergabepraxis der Mittel für Kulturprojekte und -einrichtungen ein?
5. Dachmarke Mozart
Das Haus der Mozartstadt Augsburg ist auf den ersten Blick gut aufgestellt. Seine Basis bilden renommierte Institutionen zur musikalischen Ausbildung. Darauf fußt eine Reihe zum Teil hochklassiker Laienensembles unter professioneller Führung. Diese werden auch von Machern und Organisationen mit meist starken Netzwerken befeuert. Von diesen Strukturen profitieren auch die hier ansässigen Profis, Ensembles und international gefragten Solisten. Allen Mozartprotagonisten steht in Augsburg eine Vielzahl hochkarätiger Aufführungsorte zur Verfügung. Diese werden von facettenreichen Veranstaltungen, darunter Festivals, Reihen und Einzelevents, belebt. Als Pulsgeber, Koordinator sowie als Verantwortlicher für Marketing und Foundraising würde sich die Deutsche Mozart-Gesellschaft (DMG), augenblicklich noch mit Sitz im Augsburger Mozarthaus, anbieten. Bisher ist die Stadt aber nicht in der Lage, ihrer selbst erklärten Dachmarke Mozart Struktur zu verleihen. Ihre Protagonisten vermissen Koordination und bemängeln fehlende Planungssicherheit.
Prüfsteine
a) Setzt sich Ihr Kandidat unter Berücksichti gung aller relevanten Themencluster für eine sinnvolle Neukonzeptionierung des Themas Mozartstadt Augsburg ein?
b) Unterstützt Ihr Kandidat ein gemeinsames Foundraising- und Marketingkonzept für die Protagonisten der Mozartstadt unter Federführung der Deutschen Mozart Gesellschaft?
c) Engagiert sich Ihr Kandidat für die Bereitstellung eines rund 50.000 Euro hohen Etats p.a. durch die Stadt, um Punkt b) zu starten?
6. Interkulturelle Stadt
Wie sich dem Friedensfest verwandte Projekte wie die Interkulturelle Akademie oder das Festival der 1000 Töne entwickeln werden, kann im Augenblick kaum eingeschätzt werden. Zu empfehlen sind jedoch eine stärkere Verschränkung dieser Bereiche und der Verzicht auf schmerzliche Zäsuren beim Thema nach den Neuwahlen 2014, wie sie zuletzt unter anderem bei den Dachmarken Brecht und Mozart vorgenommen wurden.
Prüfsteine
a) Sieht Ihr Kandidat die interkulturelle Stadt als Chance?
b) Ist Ihr Kandidat bereit, sich in interkulturellen Themen weiterzubilden?
c) Nimmt Ihr Kandidat die Herausforderungen einer interkulturellen Stadt an und setzt er sich dafür ein, diese Vielfalt im Rahmen kommunaler Politik zu entwickeln?
7. Stadtmarketing
Es ist in Augsburg etwas diffus organisiert. Es ruht auf den Säulen Tourismus, Wirtschaft, Einzelhandel und Verwaltung. Eigentlich sollten es fünf Säulen sein, doch das Kulturleben der Stadt wird im jetzigen Kontext kaum abgebildet. Eine Zusammenarbeit zwischen den einzelnen mit dem Stadtmarketing betrauten Stellen findet statt, aber nicht konsequent. Stattdessen leistet sich jede Säule ihren eigenen Apparat. Die Aufgabenverteilung mutet zuweilen kurios an. Manche Protagonisten sprechen sich für einen radikalen Cut aus und würden lieber heute als morgen ein zentral gesteuertes Stadtmarketing installieren, das
sämtliche Themen bedient. An dieser Idee reiben sich diejenigen, die ihren jetzigen Verantwortungsbereich behalten wollen, und warnen vor einem Verwaltungsungetüm. Fakt ist, Stadtmarketing in Augsburg ist eine verworrene Angelegenheit. Statt einer klaren Leitlinie zu folgen, arbeitet sich die Stadt an schier zahllosen Claims, Dachmarken und Slogans ab. Das Stadtmarketing wirkt aufgeblasen, nicht selten etwas schwerfällig und ist gemessen am Ergebnis wohl auch zu teuer.
Prüfstein
Engagiert sich Ihr Kandidat für klare und einheitliche Leitlinien im Stadtmarketing, natürlich unter Einbeziehung des Augsbur ger Kulturlebens auf Augenhöhe mit den Themen Handel, Wirtschaft und Tourismus?
8. Theaterstadt
Jedes Jahr feiert Augsburg den Theatermenschen Brecht, der die Welt verändern wollte und diesen Plan zumindest auf den Bühnen umsetzen konnte. Dieses Tribut legt nahe, dass die Stadt ihrem Theaterbetrieb einen ganz besonderen Stellenwert zuschreibt. Wie aber steht es um die Theaterlandschaft in Augsburg? Wie vielfältig ist sie? Welche Tendenzen gibt es? Wo bestehen Chancen?
Prüfsteine
a) Erkennt Ihr Kandidat die Notwendigkeit an, dass vor der Generalsanierung des Stadttheaters dessen Funktionen und Aufga ben kritisch zu hinterfragen und gegebenen falls neu zu ordnen sind?
b) Setzt sich Ihr Kandidat für eine bessere Finanzierung der freien Theaterszenen ein?
c) Engagiert sich Ihr Kandidat für mehr Planungssicherheit in allen Bereichen des Stadttheaters?
9. Kreativquartiere
Die Kultur- und Kreativwirtschaft braucht zur Umsetzung ihrer Projekte Kreativquartiere: bezahlbare Ateliers, Werkstätten, Büros und Hallen. Die Stadt kann ihr keine Angebote machen, private Anbieter entdecken einen Markt – allen voran die gemeinnützige Kulturpark West GmbH.
Prüfsteine
a) Steht Ihr Kandidat der Idee von Kreativ quartieren positiv gegenüber?
b) Erkennt Ihr Kandidat die Notwendigkeit, für die Boombranche Kultur- und Kreativ wirtschaft in einer Kommune bezahlbare Arbeitsräume vorzuhalten?
c) Ist Ihr Kandidat bereit, sich für die notwendigen finanziellen Mittel zur Erschließung des Gaswerkareals, auch vonseiten der Stadt, stark zu machen?
10. Zeitgenössische Kunst
Prüfsteine
a) Wird sich Ihr Kandidat für eine verstärkte Wahrnehmung zeitgenössischer Kunst einsetzen?
b) Setzt sich Ihr Kandidat dafür ein, dass die Wertschätzung, die Künstler durch die Stadt erfahren, auch monetär Ausdruck findet, z.B. bei der Dotierung der Kunst förderpreise oder der Einrichtung von Ein kaufsetats für Gegenwartskunst?
11. Stadtentwicklung
Eine zaudernde Politik, die populistisch agiert und nach Investoreninteressen schielt, kann in Fragen einer zukunftsweisenden Stadtentwicklung nur scheitern.
Prüfsteine
a) Setzt sich Ihr Kandidat für eine integrierte nachhaltige Stadtentwicklung auf Basis der Leipziger Charta ein?
b) Sieht Ihr Kandidat Stadtentwicklung als referatsübergreifende Aufgabe an?
c) Setzt Ihr Kandidat sich für eine koordinierende Stabsstelle »Stadtentwicklung« ein?
d) Setzt Ihr Kandidat sich für die Erstellung eines Stadtentwicklungskonzeptes ein?
e) Hat Ihr Kandidat eine Vision für Augsburg in 5, 10 und 15 Jahren?
12. UNESCO. Augsburg. Wasser
Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst – mit dem Thema Wasser möchte Augsburg auf die UNESCO-Welterbeliste. Der Schlüssel dazu liegt in der Qualität des wertvollen Rohstoffs vor Ort.
Prüfstein
Unterstützt Ihr Kandidat die Bemühungen der Stadt, mit dem Thema Wasser auf die Welterbeliste der UNESCO zu gelangen?
13. Literatur
Prüfsteine
a) Engagiert sich ihr Kandidat für Planungs sicherheit beim Brechtfest?
b) Unterstützt ihr Kandidat die Umsetzung des Bibliothekskonzepts der Stadtbücherei Augsburg?
c) Setzt sich ihr Kandidat dafür ein, dass die Verleihung des Brechtpreises zu einem Ereig nis wird, dass dem Stellenwert des Namens gebers gerecht wird?
14. Popkultur
Prüfsteine
a) Engagiert sich Ihr Kandidat dafür, dass Wahrnehmung und Wertschätzung in Verwaltung und Politik für die Popkultur geschärft werden?
b) Befürwortet Ihr Kandidat eine klare Trennung zwischen Kreativwirtschaft und Popkultur, ohne dabei gemeinsame Teilmengen zu ignorieren?
c) Fördert Ihr Kandidat breite Einstiegsmöglichkeiten in die Popkultur?
d) Setzt sich Ihr Kandidat dafür ein, den Raumbedarf sowohl bei Übungsräumen und Ateliers als auch bei öffentlichen Kunsträumen zu decken?
e) Unterstützt Ihr Kandidat die Forderung, die Ansprechpartner für Popkultur mit den entsprechenden Etats für Personal und Projekte auszustatten?
15. Kresslesmühle
Prüfstein
Setzt sich Ihr Kandidat dafür ein, dass aus der Kresslesmühle wieder ein Bürgerhaus wird?
16. Kulturelle Bildung
Prüfsteine
a) Hat Ihr Kandidat das Thema kulturelle Bildung als wichtigen und unverzichtbaren Baustein im Bildungsgefüge unserer Stadt erkannt?
b) Setzt sich Ihr Kandidat für ein kommunales Gesamtkonzept kulturelle Bildung ein?
c) Unterstützt Ihr Kandidat die Vernetzung der Bereiche Kultur, Bildung und Soziales bis hin zu einer gemeinsam getragenen Anlaufstelle, die sich für das Thema einsetzt?
d) Engagiert sich Ihr Kandidat für einen Etat, der Projekte kultureller Bildung ermöglicht bzw. bereits bestehende Initiativen in der Verstetigung ihrer Aktivitäten unterstützt?
17. Festivallandschaft
Prüfsteine
a) Engagiert sich Ihr Kandidat für größtmög liche Planungssicherheit der Festivalmacher?
b) Erkennt Ihr Kandidat die Notwendigkeit, weite Teile der Festivallandschaft neu zu strukturieren?