Schweigezeit vorbei

Der vielbeschworene Schulterschluss zwischen Bayerischer Staatsregierung und Rathaus Augsburg zeigt Auflösungserscheinungen. Ein Kommentar von Jürgen Kannler |

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verlassen ihre Dependance im Augsburger Glaspalast in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, der Umzug der Landeszentrale für politische Bildung liegt auf Eis und die TU München kündigt ihre Trägerschaft für das Architekturmuseum Schwaben. Damit distanzieren sich drei, dem Kabinett unterstellte Kultur- und Bildungseinrichtungen deutlich von Augsburg und den Bewohner*innen des Umlands. Die Politik schweigt dazu.

Kreditrahmen ausgereizt

Unsere Kulturregion spielt bei diesen Themen gegenwärtig keine Rolle, in dem von der Landesregierung beschworenen Entwicklungsoffensive Bayern. Die zwischen Seehofer und Gribl gepflegte Parteifreundschaft scheint aufgebraucht, seit der eine in München nichts mehr zu melden hat und der andere eine Art Frühstücksdirektor im Augsburger OB-Referat gibt. Das Projekt Uniklinikum und die Aneignung des vormaligen Stadttheaters zum Staatstheater hat in den Augen einflussreicher CSU-Landespolitiker*innen den Kreditrahmen für Augsburg und Schwaben bis auf Weiteres ausgereizt.  

Hinzu kommt, dass Ministerpräsident Söder mit seiner Parteifreundin und CSU-OB-Kandidatin Eva Weber vergleichsweise wenig anzufangen weiß. Diese setzt derweil auf eine Wahlkampfstrategie, die sie als Großstadtpolitikerin ohne wirklich erkennbaren CSU-Bezug aufbaut. Man möchte meinen, die Kandidatin suche Distanz zur eigenen Partei. Schulterschluss sieht anders aus.

Wahrscheinlich wäre das Klima zwischen Augsburg und München versöhnlicher, könnte die Stadt nach langen Jahren CSU-gesteuerter Transferleistungen endlich im Sinne der Staatsregierung liefern. Doch die hiesigen Prognosen bieten wenig Grund zum Optimismus, wie die folgenden Beispiele zeigen:

1. Wirtschaftlich gesehen bietet die Stadt kaum Antworten auf die Fragen der Zeit. Hier steht vor allem OB-Kandidatin Eva Weber als Wirtschaftsreferentin in der Pflicht.
2. Ein mit viel Getöse gestartetes Schulsanierungsprogramm musste aufgrund fehlenden Kapitals gedrosselt werden. Hier gerät Bildungsreferent Hermann Köhler (CSU) unter Druck.
3. Die Kulturlandschaft wird durch ein Theaterneubauprojekt lahm gelegt, das jeden gesetzten Kostenrahmen sprengen wird und den Spielraum des Neu-CSUlers und Kulturreferenten Thomas Weitzel einfriert.

Planungsstopp bei der Theaterbaustelle gefordert

Die in Salamitaktik servierte Kostenexplosion, bei gleichzeitiger Streichung wesentlicher Bauabschnitte, ruft nun auch Politiker*innen der städtischen Koalitionsregierung abseits der CSU auf den Plan. So erwägt Dirk Wurm, SPD-OB-Kandidat und Ordnungsreferent, als erster Lokalpolitiker mit Regierungsverantwortung, einen Bau- und Planungsstopp zumindest für den Neubauabschritt der Theaterbaustelle zu fordern, bis wieder etwas Licht ins Dunkel des x-100-Millionen-Euro-Projekts fällt. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich Politiker*innen der Grünen und der CSU dieser Position anschließen werden.  

Welche Konsequenzen eine Neukonzeptionierung des Megaprojekts für den verantwortlichen Baureferent Gerd Merkle (CSU) hat, bleibt abzuwarten. Ebenso wie die Regierung von Bayern die aktuellen Entwicklungen beim Bau des Staatstheaters kommentieren wird. In Summe reichen die gesammelten Nachrichten aus Augsburg gegenwärtig jedoch kaum, um München wirkungsvoll in Sachen der Stadt in die Pflicht nehmen zu können. Ein Zustand herbeigeführt durch politisches Versagen. Was nun zählt, ist zuallererst der offene Diskurs. Die Zeit des Aussitzens und Schweigens ist vorbei.

Foto: Der Glaspalast hat einen Kulturraum zu vergeben. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verlassen das Industriedenkmal, der Umzug der Landeszentrale für politische Bildung liegt auf Eis.