Die ,,freie Szene“ und die Augsburger Stadtpolitik
Szenen sind ja relativ flexible, oft auf Zeit existierende, eher lose soziale Gebilde, die traditionelle, feste Strukturen eher ablehnen, einen musik- oder kunstorientierten harten Kern aufweisen, sich um „locations“ herum ausbilden und politisch meist nur wahrgenommen werden, wenn sie auffallen oder stören. Eine „freie Kulturszene“ ist also charakterisiert durch die Eigeninitiative der Szeneakteure, geprägt von der D.I.Y-Philosophie und eines „learning by doing“. Soweit aus kulturpolitischen oder finanziellen Gründen ein Zusammenschluss vieler einzelner Akteure über lose Netzwerke hinaus notwendig wird, organisiert und engagiert sie sich in freier Trägerschaft über gemeinnützige Vereinsstrukturen, bürgerschaftliche Initiativen oder temporäre Aktionsgruppen, die Fluktuation und basisdemokratische Strukturen ermöglichen. Eine „freie Kulturszene“‚ wahrt Abstandzu kommunalen und/oder staatlichen Vereinnahmungen, lehnt hierarchische, bürokratische Strukturen weitgehend ab, erstreitet sich finanzielle Förderungen bzw.infrastrukturelle Basisvoraussetzungen(Räume, Flächen) über Projektverträge, die Intendanz ausschließen und Eigeninitiative in denFokus stellen. Also Selbstverwaltung, Selbstorganisation mit der Maßgabe,unter Umständen eine temporäre freie Existenz einem gesicherten,aber staatlichen Regeln unterworfenenDasein vorzuziehen.
Die Voraussetzungen einer solchen Szene liegen im Freiheits- und Durchhaltewillen der Akteure,die sich mit ihren kulturellen Äußerungen öffentlich als Musiker*innen, Künstler*innen etc. selbst in Stellung bringen, Gleichgesinnte finden, Räume suchen oder okkupieren, sich vernetzen und schließlich selbst organisieren, um im öffentlichen Raum der Stadtgesellschaft wahrgenommen zu werden.
Augsburg hat seit den 70er Jahren eine solche „freie Szene“, die sich je nach Organisationsgrad, Lautstärke und kulturpolitischen Einflussnahmen mal mehr und malweniger bemerkbar gemacht hat. Seit den 90er Jahren ist sie eine feste Größe, die man nicht ignorieren kann und die wesentliche Impulse für die kulturelle Entwicklung der Stadt gesetzt hat – von den in freier Trägerschaft entstandenen Projekten „Filmtage“, „Mühle und La Piazza“, „Spielküche“, „Kulturschock“ und KUKI bis zu den aktuellen freien „Leuchttürmen“ – Grandhotel, Kulturpark, Ballonfabrik, Contemporally, Raumpflegekultur, Transition Town, Stadtraum e.V., Die Bunten… Ganz wesentliche Impulse für eine interessante und innovative Stadtkultur stammen aus der „freien Kulturszene“ und werden stadtpolitisch auch gerne vereinnahmt – kostet ja praktisch nix!
Die Szene funktioniert so wie sie sich zur Zeit darstellt – gut vernetzt, interkulturell, generationenübergreifend, independent, kritisch die Stadtentwicklung begleitend und immer stärker politisch fordernd im Sinne von bürgerschaftlicher Partizipation. In den letzten Jahren hat die „freie Szene“ vor allem im Bereich Interkultur und bei der Vernetzung von ökologischen und stadtentwicklerischen Initiativen mit soziokulturellen Impulsen stark zugelegt: interkulturelle Gärten, städtisches Wohnen etc. Gleichzeitig sind diese oft subkulturell oder gegenkulturell aufgestellten Szeneinitiativen die Basis einer partizipativen Stadtgesellschaft, früher hieß das einmal „Graswurzelaktivitäten“.
Insofern muss städtische Haushalts- und Kulturpolitik schon einen „Plan“ entwickeln, auf welche Weise man diese „freie Szene“ finanziell und infrastrukturell unterstützen kann, ohne zu großen Einfluss auf ihre Entwicklung nehmen zu wollen. In einer Diskussion mit ca.35Mitgliedern der „Ständigen Konferenz der Kulturakteure“ und Vertretern* des Kulturbeirats am Samstag, 26. Januar im Abraxas haben Kulturreferent Thomas Weitzel und CSU-Mastermind Bernd Kränzle erste Ansätze einer solchen geänderten Wahrnehmung von Szeneaktivitäten und deren Einbau in kommunale Haushalts- und Förderstrukturen gezeigt und zugesagt, diese Diskussion in die Fraktionen und die Verwaltung einzuspeisen. Anwesende Stadträte* von Polit-WG und Grünen haben Beifall gespendet und Support zugesagt. Die „Szene“ wartet gespannt.
Denn im Haushalt der Stadt Augsburg taucht die „freie Szene“ bisher nur am Rande auf, meist dann, wenn ese iner Initiative oder Organisation gelingt, über Anträge Projektgelder zu ergattern oder wenn eine temporäre Initiative durch Beharrlichkeit und langes Überleben den Nachweis von großer Nachhaltigkeit verbunden mit Innovationskraft erbringt und dies geschickt in politische Kanäle einspeisen kann. Letztes Jahr gelang dies den freien Theatergruppen, die im Rahmen der Diskussion um die Stadt/Staatstheater-Debatte eine neue, finanziell aufgebesserte Förderstruktur mit Verträgen erstritten. Und in 2018 hat die Klubkommission- ein Zusammenschluss der Liveklub-Betreiber und Popkonzertveranstalter – es durch Beharrlichkeit geschafft, im künftigen Haushalt der Stadt erstmals mit einem Zuschuss von Euro 70.000,- für Pop- und Rockkulturveranstaltungen berücksichtigt zu werden. Für die freie Kunst-, Literatur- und lnterkulturszene, ganz zu schweigen von den soziokulturellen Nischenkulturen steht dieser Prozess noch auf der aktuellen Agenda. Im Rahmen des beginnenden Vorwahlkampfes für die Kommunalwahl2020 sollte die Stoßrichtung dieser Diskussion deshalb weiter verfolgt und nicht vernachlässigt werden!
Von Peter Bommas