Kultur wird Sache der Chefin

Bürgermeisterin Eva Weber lädt nach dem Corona-Notsignal Augsburger Kulturschaffender zum Krisengespräch ins Rathaus und geht auf Forderungen des Papiers ein. Von Jürgen Kannler

Überall trifft der Ausnahmezustand die Kulturschaffenden mit besonderer Härte. In Augsburg erfährt diese Situation eine Verschärfung: Die Kulturpolitik ist führungslos. Der noch amtierende Kulturreferent wurde Opfer der politischen Rochaden der neuen CSU/Grünen-Regierung und hat die Arbeit eingestellt. Statt in Krisenzeiten auf Stabilität zu bauen und die Neubesetzung der Referate auf die Post-Corona-Zeit zu schieben, trieb die Politik den Postenschacher voran. Das Ergebnis: Den Kulturschaffenden fehlt der Ansprechpartner. Auch aus diesem Grund verfassten sie das Notsignal mit Kritik, Forderungen und Vorschlägen und adressierten dieses unter anderem an die baldige OB Eva Weber.

Das Papier zeigte rasch Wirkung und drängte die Politik zum Handeln. Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung reagierte die Stadt mit einer Pressemitteilung, in der Eva Weber beteuert: »Stadt lässt Kulturschaffende nicht allein!« »Austauschgespräche über Bedürfnisse in der Szene« sind geplant. Kurz danach landeten Einladungen zu einem Treffen am 27. April bei einigen Vertreter*innen der Kultur (u.a. Kulturbeirat, Förderverein Ständige Konferenz, Kunstverein Augsburg, BBK, Kulturpark West, Bayerische Kammerphilharmonie, Staatstheater Augsburg, Sensemble Theater sowie Club- und Kulturkommission).

Es war der erste Tag der Maskenpflicht in Bayern. Die sechste von Schließungen und Versammlungsverboten geprägte Woche der Corona-Krise. Das Gespräch fand im Sitzungssaal des Rathauses statt, der auch dem Kulturausschuss dient. Etwa 20 Personen. Je ein freier Platz zwischen den Anwesenden.

Die geladenen Kulturmacher*innen erleben die Atmosphäre mehrheitlich als entspannt und freundlich. Gleich zu Beginn erklärt Eva Weber auf Nachfrage Kultur bis auf Weiteres zur Sache der Chefin, also ihrer eigenen. Erst wenn das Referat in den kommenden Wochen neu besetzt ist, gibt sie diese Rolle ab. Die baldige OB liefert damit ein erstes politisches Bekenntnis. Als Ansprechpartner*innen für die Kulturmacher*innen in der Verwaltung benennt sie Kulturamtsleiterin Elke Seidel, Stefan Schleifer aus dem Kulturreferat und Manuel Schill vom OB-Referat. Damit ist eine erste Notsignal-Forderung erfüllt.

Offen zeigte sich die Stadt auch für die Förderung von neuen, auf Corona-Zeiten angepasste Veranstaltungsformate. Also Programmformate, die auch bei Maskenpflicht und Beschränkungen der Besucherzahl funktionieren, wie Konzerte der Bayerischen Kammerphilharmonie vor vielleicht nur 50 Zuhörer*innen im Kleinen Goldenen Saal, ein DJ-Set im H2 mit maximaler, gleichzeitiger Quote der Anwesenden und die Ausweisung eines Einkaufsetats für regionale Kunst. Welche Rolle dabei städtische Locations wie der Kongress am Park oder das Kulturhaus abraxas spielen können, soll die Verwaltung klären.

Basierend auf solchen Projekten könnte ein Wiedereinstieg in unser Kulturleben gelingen, wie er von allen zu diesem Treffen geladenen Kulturmacher*innen gefordert wird.

Der Projektmitteltopf für diese Programme im Kulturamt soll gegenwärtig mit 60.000 Euro gefüllt sein. Das ist ein Anfang, aber keine Basis, um den Wiedereinstieg in ein Post-Corona-Kulturprogramm wirkungsvoll zu begleiten. Eine stabile Finanzierung der Strategie könnte über frei werdende Etats durch Einsparungen bei abgesagten Kulturevents wie der »Langen Kunstnacht« finanziert werden. Auch die zuletzt im Wahlkampf propagierte Nähe der baldigen OB zum Ministerpräsidenten könnte sich nun für die Kultur in Augsburg auszahlen. Denn die ist ab sofort eine Sache der Chefin.