Theaterpolitik
Die Ständige Konferenz der Kulturschaffenden mischt sich in den Wahlkampf ein und fordert eine nachhaltige Kulturpolitik. Der Auftakt war am 25. Oktober mit dem Schwerpunkt Augsburger Theaterlandschaft. Eine Betrachtung von Susanne Thoma. |
An diesem Abend startet unsere Kampagne »Auf Wiedervorlage«. Als ich in der Lounge des Sensemble Theater eintreffe, sind schon viele Menschen vor Ort, die der Kultur in Augsburg ihre Stimme geben. In vier Monaten sind Kommunalwahlen und wir bringen Kandidat*innen, die sich für den Stadtrat bewerben, unsere Vorstellungen von Kulturpolitik nahe. Unser Ausgangspunkt ist ein Bürgerbeteiligungsverfahren zum Thema Theaterlandschaft mit einem mehrmonatigen intensiven Diskussionsprozess, an dem sich viele von uns beteiligt hatten. Seit 2016 liegen die Ergebnisse vor und wir fanden, es ist Zeit zu prüfen, was davon kulturpolitisch schon umgesetzt wurde und was sich der neue Stadtrat auf seine Agenda nehmen soll.
Sebastian Seidel führt durch den Abend. Neben dem Sensemble-Chef ist die Augsburger Theaterexpertise gut vertreten durch das Staatstheater Augsburg – Intendant André Bücker mit seinem Team – das Theter Ensemble, Bluespots Productions, das Moussong Theater mit Figuren, das Clowness Theater, das Junge Theater und das Klexs Theater. Auskunft auf dem Podium soll uns Kulturreferent Thomas Weitzel von der CSU geben. Die Politik ist weiterhin durch zwei OB-Kandidaten – Dirk Wurm von der SPD und Bruno Marcon von »Augsburg in Bürgerhand« – sowie die Kulturexpertin der Grünen, Verena von Mutius, Stadtratskandidatin Rebecca Lindner von der Linken und Stadtrat Oliver Nowak von der Polit-WG repräsentiert. Es kann also interessant werden.
Förderpolitik
Den Einstieg ins Thema macht Anne Schneider vom Bundesverband der Freien Darstellenden Künste mit Beispielen aus anderen Kommunen bezüglich der Förderpolitik und der Bezahlung von Theaterarbeit. Staunend hören wir, dass just in Leipzig eine jährliche prozentuale Steigerung der Theaterförderung von 2,5 Prozent beschlossen wurde. »Die Kulturpolitik versteht sich dort als Vorreiterin, die die Kunst und Kultur als gesellschaftliche Kraft deutlich aufwerten will«, wusste Anne Schneider zu berichten. Die identitätsstiftende Funktion von Kunst und Kultur werde als Trend immer mehr anerkannt und ihr werde seit dem Aufschwung rechtsradikaler Kräfte eine stärkere Bedeutung als demokratiebildende Kraft zugesprochen. Ganz praktisch bedeutetet diese Erhöhung aber auch, dass Theatergruppen ein Inflationsausgleich und eine Tarifanpassung für ihre Mitarbeiter*innen ermöglicht wird. Das wäre mehr als angemessen auch für Augsburg, darin sind wir uns einig. Weiter im Thema: Nicht in allen Kommunen gibt es neben der temporären Projektförderung auch längerfristige Förderverträge, so Anne Schneider. Positiv in Augsburg ist, dass durch letztere für eine Reihe von Theatergruppen mehr Kontinuität möglich ist. Insgesamt hat sich die Situation der Freien Theater deutlich verbessert. Die zum Teil 20 Jahre alten Förderverträge wurden vom Kulturreferat erneuert und aufgestockt. Die Empfehlung von Anne Schneider ist, zusätzlich über differenziertere Förderinstrumente wie etwa eine Einstiegsförderung für Nachwuchskünstler*innen oder eine Gastspielförderung nachzudenken und auf keinen Fall die von ihrem Verband vorgeschlagene Mindestuntergrenze für Honorare zu vergessen.
Expansionsräume
Die Freie Theaterszene in Augsburg wächst und mit ihr die Zahl der Besucher*innen. Allein das Kinder- und Jugendtheaterzentrum Abraxas konnte im letzten Jahr 70.000 Gäste verzeichnen. Das ist kaum vorstellbar, wenn man weiß, wie beengt die räumliche Situation dort ist. »Die Studiobühne des Jungen Theaters mit 50 Plätzen ist zu klein, um wirtschaftlich zu sein«, beklagt sich Susanne Reng. Auch die anderen Kapazitäten im Abraxas reichen für die verschiedenen Theatergruppen bei weitem nicht aus und nachrückende Akteur*innen finden gar keinen Platz. Seitdem der Proben- und Workshopraum am ehemaligen Kulturpark West nicht mehr vorhanden ist, ist die Situation noch prekärer. Im Zuge der Neubebauung am Reese-Areal ist immer wieder die Rede von einem »Platzhaltergebäude« als Anbau an das Abraxas zur kulturellen Nutzung. Dass dies im Bebauungsplan weiterhin Bestand hat, müssen wir mit Nachdruck einfordern. Aber, es wird an diesem Abend sehr deutlich: Eine schnelle Lösung, um die Raumnot zu entkräften, wird es nicht geben. Weitzel fordert die Akteur*innen auf, »mehr im Interimsmodus zu denken» und meint damit, sich stärker auf Ausweichspielstätten zu konzentrieren. Weitere Räume derzeit zu errichten, hält er nicht für sinnvoll, denn nach der Zeit des Staatstheaters am Gaswerk stehe die Brechtbühne zur Nachnutzung für die Freie Theaterszene zur Verfügung. Für uns ist es an diesem Abend deutlich zu früh, über diese Option ernsthaft nachzudenken. Sebastian Seidel: »Wie alt werde ich sein, wenn das Staatstheater die Interimsstätten verlässt?« Immerhin, jetzt kommt das Kühlergebäude am Gaswerk als Option für Theaterakteur*innen ins Spiel. Weitzel regt an, einen Belegungsplan hierfür zu entwickeln, die Stadtwerke seien offen. Das ist ein guter Hinweis, aber ist die Verwaltung auch bereit, entsprechende Hilfestellungen zu geben, damit diese Idee realisiert werden kann? Oder baut der Kulturreferent einzig auf die Eigeninitiative der Kulturleute? Insgesamt lässt Thomas Weitzel durchblicken, dass das Problem der Raumnot in der Politik erkannt wurde. Ob das auch für seine CSU-Fraktion zutrifft, bleibt vage.
Kulturelle Vielfalt und kulturelle Bildung
Es geht dabei um einen Ansatz der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Man will das klassische Modell der Unterrichtsschule überwinden und durch aufsuchende Kulturarbeit Kinder und Jugendliche in ihren »Biotopen« erreichen. So soll die Teilhabe am kulturellen Leben, die Auseinandersetzung mit Kunst und Gesellschaft und fremden Kulturen hin zu einer Weltoffenheit ermöglicht werden. Peter Bommas, Lehrer und Kulturarbeiter moniert: »Die Kulturelle Bildung führt in Augsburg ein Schattendasein der Kulturpolitik«. Man muss sich wundern, bei dieser Vielzahl von an engagierten Akteur*innen in der Stadt. Das wäre ein Pfund zum Wuchern! Unter dem Label »Kulturkiesel« ist eine Plattform entstanden, auf der Angebote der Kulturellen Bildung bekannt gemacht werden. Tatsächlich fehlt aber eine referatsübergreifende Projektgruppe, die sich koordiniert der Materie annimmt. Wir erfahren, dass es dem Kulturreferenten nicht gelungen ist, Mittel für Personal im Haushalt zu platzieren. Er will dran bleiben. Das Kulturreferat und das Bildungsreferat pflegen seit geraumer Zeit eine gute fachstellenübergreifende Kommunikation. Es fehlt jedoch das Sozialreferat mit dem Bereich Jugend. »Sie verweigern die Kooperation seit Jahren«, sagt Bommas, dabei wäre es so wichtig, bildungsbenachteiligte Kinder mit in den Blick zu nehmen. Der Mann weiß, wovon er redet, denn er ist unter anderem Organisator von »Just Kids«, einem Jugend-Popfestival mit Schulen.
Baustelle Staatstheater
Korbinian Grabmeier vom Kulturbeirat referiert, dass die Öffnung des Staatstheaters für die Stadtgesellschaft und die Erweiterung der Theaterpädagogik positiv vorangetrieben wurde. Einige Aufgaben stellen sich erst, wenn alte und neue Spielstätten nach den Bauphasen bezogen werden. Derzeit gibt es keine definitive Auskunft darüber, wie hoch die Kosten für die Sanierung und den Neubau des Staatstheaters sein werden. »Alle Angaben sind spekulativ«, berichtet Jürgen Kannler von a3kultur und bezieht sich auf eine Aussage der Verwaltung. Erst im Frühjahr, wenn genauere Planungen vorliegen, will sich der Stadtrat mit konkreten Zahlen befassen, bestätigt der Kulturreferent. Dass bei solch einem Bauvorhaben die Kosten immer höher als ursprünglich angenommen sind, sei normal. Aha, hatten wir etwa damals nicht richtig zugehört, als es hieß, man habe die Kosten im Griff? Es sei sogar noch ein Puffer vorhanden? Weitzel spricht heute von einem »iterativen« Prozess, will heißen, nichts Genaues weiß man, man kann sich nur annähern. Ein Blick in den Duden: Verben mit einem iterativen Bedeutungsaspekt wären im Deutschen kränkeln, stochern, tänzeln. Genau so sieht es Bruno Marcon, der am Liebsten ein Moratorium hätte, bis Klarheit hergestellt ist, was auf die Bürger*innen der Stadt zukommt. Auch Jürgen Kannler pocht darauf, er will vor der Wahl über die Positionen der Parteien Bescheid wissen. Das Eisen dürfte recht heiß für die Fraktionen in der Stadtregierung sein, für die Opposition und Mitbewerber*innen sicher nicht. Das fürchtet auch André Bücker in einem Post: »Im Kommunalwahlkampf wird das Thema Theatersanierung/Neubau wohl eine äußerst unerfreuliche Rolle spielen. Also, warm anziehen, die kalte Jahreszeit steht vor der Tür.« Es ist zu erwarten, dass die emotionalen Wellen wieder höher schlagen. Bei unserer Ständigen Konferenz betonen die Diskutant*innen aber immer wieder, dass sie zu »ihrem« Theater in der Stadt stehen. Aber Transparenz sowie der Dialog zwischen der Freien Kulturszene und der Kulturpolitik sind ausdrücklich erwünscht.
Visionen?
Wesentliche Probleme und offene Baustellen sind am Ende der Veranstaltung benannt. Es gilt, sie nun abzuarbeiten. Ein strategisches kulturpolitisches Gesamtkonzept, aus dem sich eine Vision für die Theaterstadt Augsburg ableiten ließe, gibt es aber nicht. Liegt es daran, »dass Theater ein dynamisches Gebilde ist und Kulturschaffende einem ständigen Prozess der Veränderung ausgesetzt sind«, wie es Weitzel formuliert? Dass dies sogar der Kreativität diene? Sicher wäre es wenig zielführend, Kultur und Kunst auf Jahre hinaus durchzuplanen. Jedoch Leitlinien und Eckpunkte, was einem für die Stadt wichtig ist, kann man durchaus in einem gemeinsamen Prozess erarbeiten. Auch das heißt nachhaltig. Vor und nach der Wahl.
Wir danken unserem Sponsor studio a/a3kultur und dem Verband Freie Darstellende Künste in Bayern für einen Zuschuss. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Lokalen Agenda 21 für ein zukunftsfähiges Augsburg statt.